Mein bici se llama Bici

Eine Sensation ist die Entwicklung des Fahrrads in den letzten beiden Jahren. Damals gab es von alternativen Gruppen organisiert Demos für „un auto menos“. Die Radler versammelten sich am Obelisken – der Verkehrsknotenpunkt der Stadt, wo die Avenida 9 de Julio kurz mal auf schlappe 26 Autospuren anschwillt, und umkreisten den Obelisken dann für gut eine halbe Stunde. Die Autos mussten warten.

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Einen einzigen Radweg gab es. Und der wurde heiß diskutiert. Die Porteños sind wegen der vielen Einbahnstraßen nicht gewöhnt in beide Richtungen zu gucken, aber der Radweg galt und gilt für beide Richtungen – und so gab es Schwierigkeiten. Radfahren schien in Buenos Aires auch mir ein Ding des Unmöglichen.

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Der Verkehr hat sich in den beiden Jahren nicht gemäßigt. Aber trotzdem sind plötzlich überall Radler unterwegs. Und es gibt ein Fahrradwegsystem in den zentraleren Vierteln. Viele Porteños schütteln noch den Kopf. Aber ich wollte es natürlich ausprobieren. Eine Bekannte bot mir ihr Rad an, dass sie niemals benützt. Aus irgendwelchen Gründen ist es nicht dazugekommen.

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An einigen zentralen Punkten gibt es kostenlose Stadträder auszuleihen. Toll denkt man, bis der bürokratische Aufwand einen davon abbringt: Pass und Kopie des Passes, Visum und Kopie des Visums, bei Einwohnern Wohnsitzbestätigung und Kopie. Und dann die Auflage, sich jede Stunde an einer der Leihstellen zu melden, dazu diverse andere Zeitvorschriften undundund. Mariela und ich fragten in einem der vielen Fahrradläden, die sich dem Trend entsprechend neu installiert haben, ob man auch ein Rad leihen könne. Man kann! Und so habe ich nun für die letzten 5 1/2 Wochen ein Rad, für ca 2,50 Euro am Tag.

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Bici darf bei mir auf der Terrasse übernachten. Ich könnte es wohl auch bei uns im Haus in einem leeren Raum im Erdgeschoss abstellen, aber da der dortige Radständer nicht fixiert ist und das Rad einfach mit ihm zusammen geklaut werden könnte, fahre ich es lieber im Lift zu mir hoch.

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Nach einer kleinen Runde am Samstag habe ich am Sonntag eine riesige Tour gemacht. Und bin jetzt absolut glücklich. Vieles konnte ich vor zwei Jahren und in den ersten Wochen nicht machen, weil die Dimensionen der Stadt zu groß sind, um alles zu Fuß zu ergehen, weil das Bussystem wirklich undurchschaubar ist, und die U-Bahnen nicht dahin fahren, wohin ich möchte. Also eine tolle neue Freiheit.

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Ich würde gerne – wie Mariela versprochen – nur auf cyclovias/Fahrradwegen fahren, trotz der irren Umwege, die damit verbunden sind, aber sie stimmen nicht immer mit den eingezeichnteten Wegen auf dem speziellen Rad-Stadtplan überein. Also muss man sich wagemutig durch die Straßen und über Gehwege schlängeln, aberwitzigen Schlaglöchern, Baumwurzeln und anderen Hindernissen ausweichen – und sich auf seine eigene Aufmerksamkeit und die der anderen verlassen. Zum Glück sind hier alle gewohnt, ständig achtzugeben und miteinander zu kommunizieren. Mit der bornierten Rechthabereinstellung in Deutschland würde man keinen Millimeter vorankommen. Das Passieren der großen Avenidas mit 12, 14, 16 Spuren ist auch für geübte Radler interessant, aber es geht. Abgesehen davon sind alle Radler extrem hilfsbereit, wenn man sie nach dem bestmöglichen Weg fragt.

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Auch Polizisten sind hilfsbereit. Allerdings wissen sie nicht immer, wo der Übergang für Radler sein könnte, dass man nicht genötigt ist, auf der Stadtautobahn die Zuggleise zu überwinden, die viele Stadtteile von der Uferpromenade am Río de la Plata trennen. Fast hätte ich aufgegeben. Aber ich habe mich immer todesmutiger in irgendwelche Gebiete gewagt und schließendlich eine Fußgängerbrücke entdeckt.

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Die Promenade am Río ist großartig. Ein riesiger Parque de la memoria mit abgefahrenen modernen Anlagen, Fischer, Familien, die direkt neben dem Flughafen Aeroparque Picnic machen, ein Schiffswrack, leckere choripans in kleinen Wohnwägen zubereitet, heißes Wasser für den Matetee undundund. Dass die Argentinier diese Weite von Wasser Río nennen und nicht Meer, ist schon erstaunlich. Aber es ist so. Das Meer beginnt für sie erst auf der Höhe von Montevideo.

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Durch einen düsteren Autotunnel hinter dem Flughafen zurück auf die andere Seite, in die Stadt. Überlegung, ob ich noch mal die schönen Parques de los lagos in Palermo über Stock und Stein anfahre oder das ehrwürdige Café „La biela“ unter meinem Lieblingsbaum in Recoleta. Dieser 250 Jahre alte gomero, mit seinen ausladenden Ästen, die gestützt werden und einem Blattdach mit einem Durchmesser von gut 50 Metern.

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2 Gedanken zu „Mein bici se llama Bici“

    1. Ja, besonders der rosa Sattel ist toll. Sonst ist das Rad eher eine Altdamenente. Und Buenos Aires ist längst nicht nur flach, wie man gemeinhin denkt. Ewig lang gestreckte Steigungen, die ohne Gangschaltung ziemlich ermüdend sind. Aber keine Sorge: am Teatro Colón, an der Avenida 9 de julio, da fahr ich nicht. Bin ja nicht total lebensmüde.
      Ich komm zwei Tage nach der Taufe von Minnie. Am 3. Mai. Schad, wär sehr gern dabei. Passiert nicht so oft, dass Kinder in meinem Freundeskreis auch meinen altmodischen Namen bekommen.

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