Sturz, Museum, Feria

Schließendlich hat der Termin in der deutschen Botschaft mit dem Botschafter Graf Waldersee doch geklappt. Er sieht aus wie ein Adeliger und ist natürlich diplomatisch auf höchster Stufe und wohl der jüngste deutsche Botschafter ever in Buenos Aires, unschätzbar allerdings – ca 55? (Und nicht zu fotografieren, weil man alles technische Equipement an der Pforte abgeben muss.) Er will mir helfen, wir werden sehen. Und sein Handyklingelton ist „Help“ von den Beatles. Als es klingelte, stürzte er fast über die Sessel, die ihm im Weg standen, um es zu erreichen.

Wenige Momente später wieder auf den Straßen, mitten im Nobelteil des ehrwürdigen Belgrano mit hochherrschaftlichen Villen und sehr viel gepflegteren Gehwegen als sonst, da stürzte dann ich saublöd. Meine Kamera in der Hand wollte ich zumindest die schonen (was nicht ganz geklappt hat, aber sie und ich, wir geben nicht auf) und nun muss mein ohnehin desolates rechtes Knie mit dem gerissenem Meniskus neue Probleme bewältigen lernen.

Nach dem Sturz bin ich trotzdem in das jüdische Museum mit der Hauptsynagoge gehumpelt. Die ganze Pessachwoche über war es geschlossen. Nun also wieder auf   – und so habe ich endlich die größte Synagoge von Buenos Aires samt einer interessanten Festausstellung gesehen (Buenos Aires hat mindestens eine so große jüdische Gemeinde wie New York) – und die Ausstellung des Moses Mendelssohn Museums in Potsdam über das jüdische Krankenhaus in Berlin, dessen sympathischen Leiter ich einige Wochen zuvor kennenlernte.

Schon komisch, wie ich über dieses Projekt immer mehr in die jüdische Welt gerate, ohne, dass die sich als solche zu erkennen gibt oder hervortut. Sie ist einfach normaler Bestandteil – und das wissen alle eingigermaßen normal denkenden Menschen sowieso und insofern wäre sie auch nicht groß der Rede wert. Aber in der so weiten Ferne über das Jüdische auf so viel Deutsches zu stoßen – das berührt mich immens. Ich spüre unmittelbar, was dem jetzigen  Deutschland fehlt. Nicht, dass die Juden unser aller Heil wären, so meine ich das nicht. Aber das, was durch Hitler zerstört und vernichtet wurde und bis heute nicht repariert werden konnte, das spürt man hier, 15.000 km von Deutschland entfernt deutlich.  Es ist ja nicht nur das Jüdische vernichtet worden, wo sich Deutschland redlich Mühe gibt, das gutzumachen. Es ist eine Haltung, eine Gesinnung, eine was-weiß ich, eine Weltoffenheit. Und ich weiß nicht genau, warum es mir so fehlt. Aber es fehlt mir. Und ich bin glücklich, wenn ich es woanders spüre – auch wenn es da von anderen Problemen nur so wimmelt.

 

Zu meiner großen Freude werden zwei Artikel von mir im Mai in Deutschland erscheinen: in der Zeitung meines Bruders, der MOZ  ein Portrait über meine liebe Freundin Marion Kaufmann, die in Berlin geboren wurde und mit ihren 88 Jahren immer noch Artikel schreibt – und plant, mit mir nächstes Jahr nach Uruguay zu fahren, und dann, dank dem Tipp von Amelie Fried, in der Jüdischen Allgemeinen ein Bericht über die Pestalozzischule und ihre 80-Jahresfeier. Beide Texte samt den Fotos bekommen jeweils eine ganze Seite. (Zum Glück hat beim Schreiben mein Computer nicht so rumgesponnen wie jetzt. Ich glaub inzwischen, es liegt am Wetter. Jedesmal wenn sich Regen anbahnt oder die Luftfeuchtigkeit höher wird, spinnt er. Kann das sein?)

Die Porteños sind Büchernarren. Als während der Diktatur viele verlage geschlossen wurden, haben die Leute sie handgemacht und gemalt selber herausgegeben. Und in Buenos Aires gibt es die größte lateinamerikanische Buchmesse, die gerade ist. In der Rural, eine riesige, riesige, riesige Anlage mit einem Sandplatz, auf dem Pferderennen veranstaltet werden und alljährlich die weltgrößte Rinderschau stattfindet.

Als Dorita, meine argentinische Freundin aus München hier ihren zweiten Gedichteband präsentiert, bin ich natürlich vor Ort. Mit Mariela, die sich einen Band von ihr signieren lässt. Natürlich wird dieses Jahr Marquez besonders geehrt – auf dem Foto ist er ein Jahr alt.


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